Rechtschreibreform

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Olaf Ittenbach
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Beitrag von Olaf Ittenbach »

Einen sehr schönen Artikel zur Reform gibts bei Telepolis:
http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/mein/18106/1.html
Geschichten aus dem orthografischen Märchenwald

7 Lügen über die Rechtschreibreform

Seit Wochen wird wieder über die Rechtschreibreform diskutiert - und diese Diskussion treibt immer seltsamere Blüten. Denn nicht überall, wo das Etikett "Rechtschreibreform" drauf klebt, ist auch eine solche drin. Stattdessen werden Legenden aufgetischt und munter weiter verbreitet.


Der verbreitetste Ruffel ist der Unruffel!
Robert Mugabe
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Beitrag von Robert Mugabe »

Seufz.
Telepolis hat geschrieben:Die Rechtschreibreform betrifft zunächst nur Schüler, Beamte und Verwaltungsangestellte. Jeder andere kann die deutsche Sprache auch in griechischen Buchstaben schreiben oder in chinesischen Schriftzeichen, wenn er meint, dass seine Leser damit zurecht kommen. Die Rechtschreibung ist somit reine Konvention, an die man sich halten kann oder nicht.
Rechtschreibung ist nicht für den Schreiber da, sondern für den Leser. Die Leute, die die neue Rechtschreibung nicht wollen, wollen sie vor allem nicht lesen. Daß dieser Telepolis-Autor das noch immer nicht begriffen hat, ist erstaunlich. Lesen Sie lieber z. B. Ulrich Raulff in der "Süddeutschen", der ist doch um einige Grade <a href="http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/949/36913/" target="_blank" class="postlink">gescheiter</a>.
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rue-tigre
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Mahlström?

Beitrag von rue-tigre »

Herr Mugabe schrieb:
Lesen Sie lieber z. B. Ulrich Raulff in der "Süddeutschen", der ist doch um einige Grade gescheiter.
Recht hat er.
Ist nicht das Jammern nach der alten Rechtschreibung nur das Klammern am Strohhalm immitten des tosenden Mahlstroms (oder "Malströms " oder gar "Mählstroms"?) der Geschichte einer immer stetiger voranschreitenden allgemeinen Auflösung alles liebgewordenen Wertewahns ,oder korrekter, allzulange liebgehabter Wahn-Werte?

...,türlich!
Wer einmal in den Urgrund schaut
ist nachher nur noch halb so laut!
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Gunter von Saarwerden
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Beitrag von Gunter von Saarwerden »

Lesen Sie doch einmal was der "Bund für vereinfachte rechtschreibung" dazu sagt...

auf wiedersehen

ps: ich halte das übrigens für den richtigen weg, und meine angelsächsischen freunde stimmen mir da zu...
So wahr mir Gott helfe
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Lawrence of Arabia
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Beitrag von Lawrence of Arabia »

alles geklaut, dh bei google gesucht aber trotzdem lustich:

RADIKALREFORM DER DEUTSCHEN SPRACHE:

Dieser Fünfjahresplan sieht eine Neuentwicklung der veralteten deutschen Sprache vor:
Phase 1:
Das scharfe ك entfنllt und wird zum ss, ebenso ph, welches zum einfachen f wird. Das Wort Fantasie zum Beispiel wird so um einen Buchstaben kürzer.
Fase 2:
Die kleinschreibung wird eingeführt und der buchstabe q durch kw ersetzt, wodurch die kwalitنt der sprache eindeutig verbessert wird. v wird durch f, respektife durch w ersetzt, wie etwa in willa und faterlandsferنter.
fase 3:
das stumme oder dehnungs-h entfنllt, es heisst jetzt teater. weiter ersetzt i das y, es heisst also ritmus. in dieser fase entfنllt auch das ie wie in wiese und wird durch ein einfaches i ersetzt. di buchstabenkombination eu wird durch das schِnere oi ferbessert.
fase 4:
di umlaute ن, ِ und ü werden ersetzt durch e, o und i, also schreibt man zum beispil epfel, osterreich und finfzig. buchstabenverdoppelungen ferlengern worter unotig und entfalen daer. mitelalterliche worter wi knape oder riter werden einfacher und schneler zu schreiben sein!
fase 5:
das ch wird zum einfachen k, also kristus oder korknabe. ck wird durch ein einfakes k ersezt, tz oder ts werden durk das einfake z abgelost, wodurk di sprake nok einmal grindlik verkirzt wird. entscheidend ist aber di auflosung des umstendliken sch in ein einfakes s.
wortungetime wi dampfsifarzgeselsaft oder noiswanstein ferliren dadurk fir imer iren sreken!
*
so wird di doize sprake nikt nur konsekwent ernoiert und kwalitatif ferbesert, sondern auk dem oiropeisen lerniwo angepast und in den stand fersezt, sik in naer zukunft mit der noien englisen sprake, dem nu-inglis, zu fermelen und so den grundstein zu einer eineitliken oiropasprake zu legen!
erwartet werden nikt nur einsparungen an speikerplaz, sondern auk ereblike ferkirzungen zum beispil bei strasen- und orzsildern, auf denen dan etwa fon diseldorf, sarbriken oder libek di rede sein wird.
di nazjonalhimne wird dan lauten: doizland, doizland iber ales!

Greser & Lenz

Beitrag von Greser & Lenz »

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lenin
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Beitrag von lenin »

um hier doch noch mal was zu posten:
vielleicht hilft dieser Artikel aus meiner bevorzugten Wochenzeitung ja, den unsäglichen Streit endlich beizulegen.
Bild
I don't use poetry, art or music to get into girls' pants,
I use it to get into their heads.
Robert Mugabe
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Beitrag von Robert Mugabe »

Dieter E. Zimmer hat geschrieben:In Wahrheit war die alte Schulorthografie reines Bürokratenwerk, 1901 von einem kleinen Expertengremium innerhalb von drei Tagen beschlossen und diskussionslos angeordnet, und sie war darum nicht schlecht.
Nein, leider, Lenin: Zimmer versteht nicht genug von der Sache. Die alte Schulorthographie (ich beschränke mich hier auf diesen einen Irrglauben; Zimmer verbreitet noch mehrere andere) ist in einem jahrzehntelangen Prozeß <i>ermittelt</i> worden: durch Beobachtung und Abgleichung der im 19. Jahrhundert üblichen Schreibweisen. 1901 wurde die beobachtete und bereits übliche Orthographie im wesentlichen bloß noch kodifiziert. Von Konrad Duden etwa haben wir bereits aus dem Jahr 1886 die Feststellung, "daß es eigentlich schon jetzt eine ‚Orthographie für das Deutsche Reich’ gibt" (zitiert nach: Jansen-Tang, Doris: "Ziele und Möglichkeiten einer Reform der deutschen Orthographie seit 1901", Frankfurt a.M./Bern/New York/Paris 1988, S. 60). Die deutsche Rechtschreibung ist - wie die deutsche Sprache selber ja auch - weitgehend natürlich und von selbst entstanden. Sprachwissenschaft hat sich aufs <i>Deskriptive</i> zu beschränken.

Zimmer sitzt hier einer Sprachlegende auf, die nicht weniger hartnäckig ist als etwa die von den werweißwievielen Wörtern, die die Eskimos angeblich für Schnee <a href="http://www.book-info.com/asin/022668534 ... 50qbvQjxCF" target="_blank" class="postlink">besitzen</a>. Aber halt auch nicht weniger falsch.
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MMC
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Beitrag von MMC »

Robert Mugabe hat geschrieben:
Dieter E. Zimmer hat geschrieben:In Wahrheit war die alte Schulorthografie reines Bürokratenwerk, 1901 von einem kleinen Expertengremium innerhalb von drei Tagen beschlossen und diskussionslos angeordnet, und sie war darum nicht schlecht.
Nein, leider, Lenin: Zimmer versteht nicht genug von der Sache. [...]
Doch, Herr Lenin: Herr Zimmer schreibt vernuenftig und schluessig, und beispielsweise die Feststellung, dass Sie, ich, Herr Lenin und Bild etc. auch nach 2005 schreiben duerfen wie sie wollen scheint mir richtig und wichtig.

Ausserdem glaube ich auch nicht, dass die Erkenntnis, dass eine Reform schlecht ist, Schwaechen hat, oder was auch immer impliziert, die Reform rueckgaengig zu machen. Jede Veraenderung schafft automatisch einen neuen Status Quo, von dem ausgehend man dann weiterveraendern kann, wenn notwendig, egal ob diese Veraenderung sinnvoll war oder nicht.
Beispiele siehe Irak, Yugoslawien, DDR, etc: Niemand wuerde heutzutage ernsthaft wieder eine Aufteilung in zwei deutsche Staaten fordern...
Robert Mugabe
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Beitrag von Robert Mugabe »

MMC hat geschrieben: Herr Zimmer schreibt vernuenftig und schluessig
Gewiß. Aber sagen das zum Beispiel nicht auch die Anhänger der Astrologie von ihren Astrologen?
Selbstverständlich sind die Legenden, auf denen die Rechtschreibreform beruht, eingängig. Trotzdem bleiben es Legenden.
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MMC
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Beitrag von MMC »

Robert Mugabe hat geschrieben:
MMC hat geschrieben: Herr Zimmer schreibt vernuenftig und schluessig
Gewiß. Aber sagen das zum Beispiel nicht auch die Anhänger der Astrologie von ihren Astrologen?
Selbstverständlich sind die Legenden, auf denen die Rechtschreibreform beruht, eingängig. Trotzdem bleiben es Legenden.
Nun, lassen Sie mich praezisieren: Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Mugabe, schreibt Herr Zimmer vernuenftig und schluessig.

Zum ersten, wie kommen Sie darauf, dass ich ein Anhaenger der Rechtschreibreform sein koennte? Ich vermute, dass ein Fachmann leicht an meinen Texten feststellen wuerde, dass ich sicher kein konsequenter Verfechter dieser neuen Art rechtzuschreiben bin.

Zum zweiten, die Rechtschreibreform selbst ist sicher keine Legende, sondern ein existierendes Faktum. Es steht Ihnen natuerlich frei, eine Gegenreform auszurufen, oder zu fordern, dann sollten Sie aber auch erklaeren, worin diese besteht, und zumindest den Ansatz einer Kosten/Nutzen-Analyse erkennen lassen. Reines Polemisieren hilft hier sicher nicht weiter.
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katchoo
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Rundschau-Rechtschreibtest

Beitrag von katchoo »

Bei der Westfälischen Rundschau, allseits bekannt für exklusives Rechtschreiben, kann man derzeit einen Rechtschreibtest machen.

Da lernt man dann auch gleich bei der ersten Frage, daß das Substantiv "Radfahren" jetzt "Rad fahren" geschrieben wird.

Danke, Rundschau!

katchoo (führt ihren Duden der Wiederverwertung zu)
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merz
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Beitrag von merz »

Ich habe mir das Thema nun beinah komplett durchgelesen und kann freilich bei so vielen Beiträgen nicht zu allem etwas sagen. Doch ganz zu Beginn kamen ein paar Dinge auf, die für mich unzufriedenstellend offen geblieben sind, nämlich die Forderungen einiger Forenbenutzer nach der Abschaffung des ß und der Umlautschreibung.
Auch wenn die Forderungen vielleicht nicht ganz ernst gemeint waren, muß man sich fragen, was die beiden denn bringen, abgesehen von einer global (naja, ans Englische) unangepaßten Tastatur.
Tja, und was bringen sie?

Das "ß" bringt
- nach neuer Rechtschreibung die Unterscheidung (1) zwischen kurzen und langen Vokalen vor stimmlosem s-Laut und (2) zwischen stimmlosem und stimmhaften "s"-Laut nach langen Vokalen:
(1) kurze und lange Vokale vor stimmlosem "s": <Busse> /buse/ vs. <Buße> /bu:se/
(2) stimmloses und stimmhaftes "s" nach langem Vokal: <Muße> /mu:se/ vs. <Muse> /mu:ze/ (und auch <Verlies> vs. <verließ>, wenn man den Plural bzw. Konjunktiv I ansieht: <Verliese> /z/, <verließe> /s/)
Schüfe man das "ß" ab, wäre die für die Lesbarkeit sehr schlecht. Ein eigenes Graphem für den stimmhaften "s"-Laut, wie das "z" im Niederländischen oder Englischen, könnte hier helfen, aber im Deutschen wird das "z" ja schon für etwas anderes genutzt.

- nach alter Rechtschreibung die Unterscheidung (1) zwischen trennbarem und untrennbarem stimmlosen s-Laut und (2) zwischen stimmlosem und stimmhaftem "s"-Laut nach langen Vokalen
(1) trennbare und untrennbare stimmlose s-Laute: (er) muß - (sie) müs-sen, (er) faßt, (sie) fas-sen
(2) stimmloses und stimmhaftes "s" nach langem Vokal: wie in der neuen Rechtschreibung
Auch hier ist das ß wichtig, wenn auch mit der neuen Regelung eine für den Schreiber und Leser freundlichere Variante der Verteilung von <ss>, <ß> und <s> gefunden wurde.


ä, ö und ü tragen sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtschreibung zur Lesbarkeit der Sprache bei, da die Phonem-Graphem-Entsprechung in diesem Fall eingehalten wird. Wenn man /ä/, /ö/ und /ü/ als <ae>, <oe> und <ue> verschriftlicht, wird die Sprache schwerer lesbar, da <ae> ja eigentlich /ae/ ist, <oe> /oe/ und <ue> /ue/. Das Deutsche hat schon ausreichend viele Diphthonge, die nicht durch ihre 1:1-Entsprechungen wiedergegeben werden, z. B. /oi/ = <äu>, <eu>, <oi>, man muß doch nicht noch mehr hinzufügen - ganz davon abgesehen, daß es auch Wörter wie die jüngere Bildung <Homoehe> und die <Pizzaecke> sowie die - zwar fremdsprachliche, aber dennoch bekannte - <Paella> gibt, die völlig selbstverständlich mit <oe> bzw. <ae> geschrieben werden, weil man ja auch /oe/ bzw. /ae/ spricht.



Nun noch etwas zur Rechtschreibreform, damit ich nicht gänzlich "off topic" schreibe:
Die Reform hat für Schreiber des Deutschen viele Vereinfachungen gebracht, das ist nicht abzustreiten. Die neuen Trennungsregeln, die neue Schreibung vieler Fremdwörter, die dreifachen Buchstaben, die freieren Kommasetzungsregeln, die Großschreibung und die häufigere Auseinanderschreibung zwingen kaum noch dazu, während des Schreibens über die Sprache nachzudenken.
Doch wer denkt an die Leser und die Lerner des Deutschen?

Die neuen Regeln der Worttrennung und Fremdwortschreibung sowie die dreifachen Buchstaben sind meiner Ansicht nach etwas, das an der Reform positiv ist. Man trennt ein Wort, wie man es getrennt spräche, das zeigt, daß Fremdwörter, die in die Sprache eingehen, sich der deutschen Silbenstruktur anpassen müssen, was sie weniger zu "Außenseitern" macht und mit ein bißchen Phantasie auch die Integrität der Sprache zeigt. Der Helikopter (Heliko-pter vs. Helikop-ter) ist hier das schönste Beispiel von Anpassung.
Schön ist ein gutes Wort, denn hier kommt die "Ästhetik" ins Spiel, denn schön finde ich den <Delfin> nicht, und das <Känguru> sieht für mich auch immer noch sehr blöde aus. Doch diese geschmacklichen Sachen sollten wohl beim Versuch einer "objektiven" Bewertung der Reform draußen bleiben.

Kommata dienten einst dazu, Sätze zu strukturieren, Haupt- vom Nebensatz zu trennen und Aufzählungen zu kennzeichnen. Nach der Reform zeigen sie beinah nur noch Redepausen. Ein Leser liest einen Text aber nicht immer laut, und es ist auch nicht üblich, einen Satz im Kopf "leise" nachzusprechen. Nach der Reform könnte man das Komma - übertrieben ausgedrückt - auch gleich ganz weglassen. Was bringt denn ein Komma schon noch? Ach, es strukturiert Sätze. Moment, hat es das nicht schon vorher? Hm. Durch die Abschaffung diverser Kommata sind Mehrdeutigkeiten entstanden. Was soll das ganze?

Warum schrieb man vor der Reform Wörter wie "totschlagen" und "eislaufen" zusammen? "Totschlagen" ist eine sogenannte Resultativkonstruktion und "eislaufen" ein Partikelverb. "Braun färben", eine andere Resultativkonstruktion, hat man hingegen seit jeher auseinandergeschrieben. Viele werden nun sagen, es sei dann doch auch ganz vernünftig, "totschlagen" ebenso auseinanderzuschreiben.
Bedenkt man hingegen, daß man aus "totschlagen" den "Totschlag" und den "Totschläger" bilden kann, "braun färben" aber nicht für die Wortbildung geeignet ist, kommt man vielleicht auf die Idee, daß es doch ganz in Ordnung war, zwei Wörter, die für die Wortbildung als Basis geeignet sind, zusammenzuschreiben - immerhin müssen sie ja irgendwie näher beieinander sein als solche Wörter, mit denen man nichts neues bilden kann.
Bei Partikelverben mit "substantivischer" Partikel fällt die Zusammengehörigkeit von "Substantiv" (bewußt in Anführungsstrichen, es ist nämlich kein Substantiv) und Verb noch viel schneller ins Auge: man kann <Eis essen> und <eislaufen>, das sieht auf den ersten Blick ganz ähnlich aus. Aber schaut man genauer hin, stellt man fest, daß man auch <ein Eis essen> kann, aber nicht <ein Eis laufen>. <Eis> in <Eis essen> ist einfach nur eine unbestimmte Pluralform, <eis> in <eislaufen> hingegen hat keinerlei substantivische Eigenschaften, abgesehen davon, daß es sich wie ein Substantiv anhört. Früher wurde es sogar in der Schreibung vom Substantiv abgetrennt, man schrieb es klein und, wenn's denn vor dem Verb steht, auch am Verb dran (wie man es ja mit jeder Verbpartikel macht, z. B. einlaufen). Nach der Reform sieht man nun gar nichts mehr von der Unterscheidung. Und jemand, der die Sprache lernt, könnte z. B. anstelle von "ich bin viel eisgelaufen" "ich bin ein großes Eis gelaufen" bilden, wie man ja auch "ein großes Eis gegessen" hat. "Viel autofahren" kann man nach der Reform anscheinend gar nicht mehr. Was halten Sie denn von "viel Auto fahren", sieht das nicht irgendwie falsch aus?

Ich selbst schreibe weiter nach den alten Regeln, so gut ich kann. Eine Übernahme von Teilen der Reform halte ich für inkonsequent, und gänzlich möchte ich sie nicht durchführen, also bleibe ich - aus "ästhetischen Gründen" sage ich meist, aber eigentlich sind es linguistische (die möchte ich aber nicht immer erklären, darum bleib ich beim ersten) - bei der alten Schreibung.



--

Edit: diverse Tippfehlerchen sowie Verwurstungen bei der /Phonem/ - <Graphem>-Verteilung verschönert
Zuletzt geändert von merz am Mi Sep 01, 2004 7:27 pm, insgesamt 1-mal geändert.
Wichte sind wichtig.
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MMC
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Beitrag von MMC »

merz hat geschrieben:Warum schrieb man vor der Reform Wörter wie "totschlagen" und "eislaufen" zusammen? "Totschlagen" ist eine sogenannte Resultativkonstruktion und "eislaufen" ein Partikelverb. "Braun färben", eine andere Resultativkonstruktion, hat man hingegen seit jeher auseinandergeschrieben. Viele werden nun sagen, es sei dann doch auch ganz vernünftig, "totschlagen" ebenso auseinanderzuschreiben.
Bedenkt man hingegen, daß man aus "totschlagen" den "Totschlag" und den "Totschläger" bilden kann, "braun färben" aber nicht für die Wortbildung geeignet ist, kommt man vielleicht auf die Idee, daß es doch ganz in Ordnung war, zwei Wörter, die für die Wortbildung als Basis geeignet sind, zusammenzuschreiben - immerhin müssen sie ja irgendwie näher beieinander sein als solche Wörter, mit denen man nichts neues bilden kann.
Ich finde es ja immer schoen, wenn jemand eine Meinung zu was hat, und das auch gut ausdruecken kann. Trotzdem kann ich mir den folgenden Link nicht verkneifen.
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merz
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Beitrag von merz »

Ich dachte nicht daran, daß jemand auf diese Idee kommt. In der Tat sind Derivate mit -er in sehr, sehr vielen Verbindungen möglich. Es gibt ja z. B. auch den Warmduscher, <warm duschen> wurde ja auch nie zusammengeschrieben*, oder als besseres Beispiel den Nudeln-mit-dem-Löffel-Esser.
Eine Braunfärbung, die meine zweite Befürchtung war, kommt aber, wie Sie vermutlich selbst erkannt und darum das Beispiel nicht genannt haben, nicht vom transitiven <braun färben>.
Das klingt jetzt sicher alles nicht so überzeugend. Ich muß zugeben, Resultativkonstruktionen sind im Deutschen auch nicht so einfach, das ganze ist auch noch nicht ganz ausgereift. Im Niederländischen kann man das per Umstellung des Verbs viel deutlicher kennzeichnen, aber so weit möchte ich hier nicht ins Detail gehen, dafür müßte ich ja erst die Umstellung erklären.
Vielleicht sind die ehemals zusammengeschriebenen Konstruktionen auch einfach nur häufiger, die Schreibung dieser war wohl seit jeher ein Problem, denn "saubermachen" konnte man - dieser Regel widersprechend - auch zusammenschreiben**.

*Man könnte <warmduschen> in der übertragenen Bedeutung natürlich als Partikelverb ansehen und dann auch, zumindest nach alter Regelung, zusammenschreiben. Hierzu auch etwas interessantes: man kann in übertragener Bedeutung nicht <sehr warm duschen>, was wieder auf eine Verbpartikel hindeutet.

**Spannend ist auch der Fall "zusammen( )schreiben", der drei Lesarten hat:
(1) er schreibt den Text zusammen = er fertigt eine Zusammenfassung des Texts an; "zusammen" ist ein Resultativ, der Text ist nachher, salopp gesagt, "zusammen" (diese Lesart ist eher unüblich, aber dennoch möglich)
(2) er schreibt die Wörter zusammen = er läßt keine Lücke zwischen den beiden Wörtern; "zusammen" ist eine Verbpartikel
(3) sie schreiben den Text zusammen = sie schreiben den Text gemeinsam; "zusammen" ist hier ein Adverb
Die Frage ist, wie man nun "weil er den Text zusammen(?)schreibt" schreiben sollte .. beantworten kann ich sie nicht.
Wichte sind wichtig.
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