Missglückte Romananfänge, -enden, -mittelstücke usw.

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FinnCrisp
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Registriert: Di Jun 03, 2003 12:32 pm

Re: Missglückte Romananfänge, -enden, -mittelstücke usw.

Beitrag von FinnCrisp »

Es muß klar sein, daß alles, was ich im Folgenden zu Papier bringe, einer ausgesprochen strengen Kürzung unterzogen werden mußte. Das liegt zum einen daran, daß ich mich selbst nicht mehr an jedes einzelne schreckliche Detail erinnere - wofür ich den Göttern dankbar bin - zum anderen daran, daß ich es aus moralischen Gründen bevorzuge, den Leser zu schonen, indem ich auf allzu genau Schilderungen verzichte.
Was ich hier zu Gesicht bekam, war dazu geeignet, einen weniger gefestigten Mann, als ich es bin, auf der Stelle wahnsinnig werden zu lassen, und ich gestehe, daß die Eindrücke mich derart von innen her verzehrten, daß es mir im Nachhinein wie ein Wunder vorkommt, daß ich weder dem Irrsinn anheim fiel noch meinen sich zwangsläufig einstellenden Selbstmordgedanken nachgab. Vollkommen erholt habe ich mich freilich bis heute nicht - es vergeht keine Woche, in der ich nicht schweißgebadet und flach atmend in meiner Schlafstatt hochschnelle und jene ekelhaften Worte kreische, die ich an diesem unheilvollen Ort gehört hatte.
Der Raum an sich war in Bezug auf seine Ausmaße und seine Innenarchitektur keineswegs ungewöhnlich, sieht man einmal von der willkürlichen Anreihung grotesker Säulen und Stelen ab, die unserer euklidischen Geometrie völlig Hohn sprachen und sich keiner der Menschheit bekannten Kulturstufe zuordnen ließen. Das wirklich abscheuliche, Albtraum erregende war freilich das, was an den Wänden hing, fahrlässig arretiert von durch und durch verstandesfaulen Kreaturen mit offensichtlicher Abwesenheit von auch nur rudimentärem Mitgefühl. Es waren Bilder - Gemälde, sofern dieser uns vertraute Begriff auch nur im Ansatz im Stande ist, die pervertierte Kunst zu benennen, die hier versammelt war. Einige Motive kamen mir sofort bekannt vor: Beschreibungen derselben oder vagen Skizzen war ich in der einschlägigen Literatur, etwa den Pnakotischen Manuskripten oder De Vermis Mysteriis, mehrfach begegnet. Sie mit meinen eigenen Augen in ihrer ganzen gotteslästerlichen Gräßlichkeit zu erblicken erfüllte mich mit Schwindel und Übelkeit. Unsagbare Stilleben jenseits von Raum und Zeit, erschreckend naive anatomische Kritzeleien vorgeschichtlicher Wesen, widerwärtige Portraits lachhafter Halbgötter - das alles war zu viel für mich. Und doch brachte es eine tief in mir aufbegehrende Flamme der Neugier fertig, daß ich benommen taumelnd den ganzen Raum durchstreifte und jedes der krankhaften Bildnisse mit nie gekanntem Forscherdrang studierte.
In der hintersten Ecke dann erblickte ich das schlimmste Exponat; dasjenige, das die absurde Hoffnung, es könnte sich hier doch um menschliche Artefakte handeln, endgültig ad absurdum führte und das mich schreiend jenes lepröse Gebäude fliehen machte ...

(aus: "Lovecraft auf der Documenta")
I drove downtown, scanning the alleys until I saw a rail-thin Mexican kid standing by a dumpster wearing a St. Louis Rams jacket. The kid was wearing the jacket, not the dumpster.
Bolton Wanderer sen.
Beiträge: 2
Registriert: Sa Feb 03, 2018 4:44 pm

Re: Missglückte Romananfänge, -enden, -mittelstücke usw.

Beitrag von Bolton Wanderer sen. »

Aus dem Spiegel blickt mittlerweile ein gealterter Jugendlicher, mit grauem Haar und Tränensäcken so groß wie die Mainschleifen. Aber es ist kaum mehr notwendig in den Spiegel zu schauen, wie früher zur täglichen Rasur. Bartbewuchs ist inzwischen Mode geworden, und zwar in allen Längen. Wofür man sich früher fragen lassen musste ob einem zu Hause der Strom abgestellt worden sei, oder man im Stadtpark wohne, ist heute hip. Überhaupt hat sich vieles geändert: Etwa sind die Autos größer und schwerer geworden. Durchschnittlich drei Tonnen Metall und Kunststoff bewegt die Hausfrau heutzutage vom Aldi zum Denns und über den Kinderhort zurück zur heimischen Doppelhaushälfte. Was die Safety des abgeholten Kindes erhöht, senkt die des anderen, das mit dem Fahrrad nach Hause fährt. Aber egal, viel wichtiger ist, dass der Terminus Hausfrau heute gar nicht mehr geht. Political Correctness rules! Fast möchte man schon von Terror sprechen, wenn dieser Begriff nicht komplett von radikalen Moslems vereinnahmt worden wäre.

Dieses Forum war einst ein Quell origineller Beiträge, die Nacht reichte kaum um die tagsüber hinzugekommenen Postings zu lesen. Heute wirbelt bei jedem Öffnen eines Themas der Staub auf, seine Hallen sind muffig, die Threats kompostieren vor sich hin. Das Smartphone hat dem Forum das Publikum gestohlen. Niemand schreibt mehr Texte, weil auf einem Smartphone kein Platz zum Schreiben ist. Ein Foto vom Mittagessen und ein „lecker“ darunter muss reichen. Daumen hoch oder Daumen runter geht auch noch. Die Konditionierung der Menschen mittels ADHS (nicht zu verwechseln mit AHDS) hin zu infantilen Schwachköpfen ist jedoch nicht erst seit der Erfindung des Smartphones in vollem Gange. Lange habe ich mich gefragt, wofür das Ganze?! Jetzt weiß ich es. - Um dieses Forum zu beerdigen -. Aber es ist ihnen nicht gelungen…Daumen hoch…
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