Was Besseres als Terminator

Gebleichter Zellstoff, Vinyl, Zelluloid und ... ja ... Mist, woraus besteht TV?

Moderator: hessen-wohin

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Was ist ihr Favorit unter den Filmklassikern?

Dr. Strangelove, aber nur wegen Peter Sellers Dreifachbesetzung
8
14%
The Godfather, aber nur wegen Marlon Brando
2
4%
Irgendwas von Hitchcock, aber nur wegen der Frau unter der Dusche
2
4%
Irgendwas mit Heinz Rühmann, aber nur weil er Parteimitglied war
3
5%
Dieser eine mit dem Schauspieler der sich immer ans Ohrläppchen greift wie hieß der nochmal
2
4%
TKKG der Film, aber nur wegen der geilen Gabi
7
13%
Terminator, kann keinen Grund nennen
7
13%
Diese Liste ist eine Zumutung sondergleichen! Warten Sie nur mein Posting ab.
25
45%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 56

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Beutelrobotier
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Beitrag von Beutelrobotier »

Woran ich mich noch - ungefähr wohl gleicher Jahrgang, und im selben Alter dort unterwegs einmal - erinnern kann, ist:
• das diese Transitstrecke anmutete wie eine eigenartige Mischung aus Breugel trifft Mad Max
-> Breugel = die Szenerie der bäuerlichen Landschaft und herzlich nette Menschen, die uns mit Obst und Gemüse beschenkten, viel lachten und davor warnten die Transitstrecke zu verlassen - wohl weil ihnen auch nicht entgangen war das es dort zuging wie Sie das eben beschrieben auch, in den entlegenen Gegenden schon eine reichliche Undercover-Unruhe entstand - im Kontrast der Zeitenwende und Überlebenslust und -frust, den Bedürfnissen des Behehrs der Generationen und Erhalt eben solch malerischer Werte.
-> Mad Max = eine eigenartige modern anmutende endlos lange Rennstrecke, gesäumt von etlichen vor sich hin rostenden Unfallboliden - Busse, LKWs, PKWs jeglichen Datums, die sich wie eine Mauer durchs Land zog, auf welcher Massen des 20. Jahrhunderts durch ein malerisches und wie seit dem Mittelalter unverbautes, unverfälschtes Land hindurchfegten, welches ein Potenzial an Herzlichkeit und Freundlichkeit bei den grundsoliden, einfachen Bauern links und rechts des Weges aufwies, welches seinesgleichen sucht.
• Was sonst noch auffiel: das meine finanziell besser ausgestattete Reisebegleiterin, deutlich promiskuitiv freier und lässiger dadurch auch, immer wieder besonders für mich auch dadurch lebensgefährliche Situationen heraufbeschwor - und doch im Team dann die Vernunft siegte, sowie ihr Verstand geweckt blieb... auch interessierte Kavaliere hielten den respektvollen nötigen und gewollten Abstand, und verhielten sich ausgesprochen charmant. Während zwangsweise auf mich allein gestellt, ihrem persönlichen Fortpflanzungsplan zuliebe abgestellt, dieser virtuelle Sicherheitsgurt, so sollte man das wohl nennen können, deutlich brüchiger war.
Eine eigenartige Chemie der Kettenreaktionen entwickelte sich.
Daher bin ich sehr skeptisch bei vorschneller Isolation oder Abwendung.
• Die Stopps in den Kleinstädten, durch die MadMax der Zeit die Piste hatte wachsen lassen, waren schon beunruhigender: dort in den sozialistischen Supermärkten derzeit war eine eigenartige okzident-/orientalische kleine Auswahl an Waren zu erstehen - deren Qualität äußerst zu wünschen übrig blieb, was die Gegenstände anbetraf: sehr billig gemacht, viel Kitsch. Die Menschen, besonders Männer, zeigten dort eine befremdliche Mischung aus unterschwelliger Aggression und Ablehnung. Ganz anders als dieses solide fröhliche und wache Bauernvölkchen mit ihren frischen Waren aus der Region, womit sie zum Transit kamen und sich damit versorgend konnte man diese unheimlichen Knotenpunkt-Verteiltempel umgehen.

Beutelrobotier
/hat kein zwiespältiges Verhältnis zu den auf der Transitstrecke beim Bauernvölkchen erworbenen Souvenirs und wird eins - bis jetzt noch das dunkle Originalholz - bäuerlich-naiv-bunt-fröhlich bis etwas ins folkloristisch Kitschige gehend und anmutend vielleicht sogar aufpeppen.
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MMC
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Beitrag von MMC »

Ich wollte nur einmal, da offensichtlich ein Missverstaendnis hier aufgekommen ist, an folgendes erinnern:
MMC hat geschrieben:Vielleicht auch inspiriert von anderen Straengen (Kosovo, deutsche Vergangenheit), faellt mir mein bisher absoluter Lieblingsfilm ein, den ich vor einigen Jahren geehen haben, naemlich:

Herrenpartie von Wolfgang Staudte (1964). Ich zitiere mal aus dem Netz:
Für die Mitglieder eines deutschen Gesangvereins ist der Jugoslawien-Urlaub so gut wie beendet. Erholt reisen sie mit ihrem Kleinbus wieder in Richtung Norden. Durch eine Umleitung sind sie gezwungen über hügelige Nebenstraßen zu fahren. Als der Tank leer ist, machen sie sich mit einem Kanister auf die Suche nach einer Tankstelle. Von den Bewohnern eines kleinen Karstdorfes erhoffen sie Hilfe. Doch stattdessen treffen sie auf Frauen, deren Männer einst von deutschen Soldaten als Geiseln erschossen wurden. Der Kleinbus landet in einer Schlucht und die rettende Brücke wird gesprengt. Die Männer sehen sich mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert.
Uebrigens mit Götz George in der Rolle eines (nicht vergangenheits-belasteten) Studenten in der Herrenpartie.
Es ist ja schoen, dass andere Teilnehmer des Forums dies als Aufforderung gesehen haben, ihre letzten Jugoslawien-Urlaub-Erinnerungen mitzuteilen (teilweise auch meine Schuld durch die recht unspezifische Beschreibung dazu, die ich im Netz fand). Ich moechte jedoch gerne anmerken, dass es hier um einen Film geht, der nun wirklich gar nichts mit diesen Dingen wie schlechte Autobahen und aehnlichen Klischees zu tun hat. Vielmehr geht es um die nachkriegsuebliche Verdraengung deutscher Schuld, fehlende Aufarbeitung des Krieges, (typisch) deutsche Ueberheblichkeit usw usf, in genialer Weise von Wolfgang Staudte in Szene gesetzt. Nur um ein Detail zu nennen, die Rolle des von George gespielten Studenten und die kritischen Fragen (inclusive unkritische Erwiderungen) zeigt schon die Problematik auf, die dann einige Jahre spaeter in der deutschen 68er Bewegung eingehend thematisiert wurde.

Wenn Sie dennoch das Beduerfnis haben, dazu persoenliche Erinnerungen zu diskutieren, so waere es beispielsweise passend davon zu berichten, wie Ihr Vater/Grossvater seine Zeit im Jugoslawienkrieg (oder in Russland oder wo auch immer) verherrlicht hat, und dabei auch irgendwie die Unzivilisiertheit der ehemaligen "Feinde" durchscheinen liess.
Alternativ koennen Sie natuerlich auch einfach beim Strangthema bleiben und von ihrem Lieblingsfilm berichten.
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Olaf Ittenbach
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Beitrag von Olaf Ittenbach »

Sie wollten immer schon mal "Alien" sehen, der Film ist Ihnen aber zu lang?
http://www.markta.co.uk/alien/
fasst die Geschichte mit Screenshots zusammen
Der verbreitetste Ruffel ist der Unruffel!
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Beutelrobotier
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Beitrag von Beutelrobotier »

Eine wunderschöne wirklich aufregende aber gar nicht vulgäre oder peinliche Liebesszene ist hier enthalten: da fährt einem das Blut in die Adern... aber der dritte von oben: die Fluppe im Nabel der Welt, und das! bei den! Tattoes!

http://www.klack.de/TvPopup.php3?ID=923832076


Ein Nachruf auf einen sehr einmaligen Sendetermin leider.
Und die Lebensgeschichte des Jean Vigo passt auch schon wieder bedrohlich.
Gast

Beitrag von Gast »

Ungern wiederbelebe ich einen so alten Strang, aber auch nachdem ich zweimal die Suchfunktion aufrief und den ganzen Strang wiederholt durchging, erhärtete sich bei mir der Verdacht, das

"Adel verpflichtet" also "Kind hearts and Coronets" ( GB 1949 )

hier bisher entweder als bekannt vorausgesetzt wird, oder aber unbekannt ist. Ich finde den Film sehr komisch und das nicht nur wegen Alec Guiness.
Alt genug für einen Klassiker ist er jedenfalls.

Auch "Eine Leiche zum Desert" ist gut, aber nicht so gut, und läuft auch deutlich zu oft im Fernsehen.
Anderer Gast

Beitrag von Anderer Gast »

Da haben Sie ganz recht, Herr Gast. Vor allem das "Puff", das es im Hintergrund macht, als der Hauptakteur mit der Ehegattin des vermittels Explosion zu tötenden Verwandten in ihrer Gartenlaube Tee trinkt, also dieses "Puff" ist eines der herrlichsten "Puffs" überhaupt.
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jugend-musiziert
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Beitrag von jugend-musiziert »

Seit Wochen kommt man nicht umhin, in den Feuilletons und noch den entlegensten Spalten der Zeitungen und Magazine über nicht enden wollende Huldigungen oder euphorische Randbemerkungen zu stolpern, die dem neuen Film von Woody Allen gewidmet sind. So manche cineastische oder sonstwie geartete Sehnsucht (Johansson, Scarlett) scheint durch "Match Point" befriedigt zu werden, was fein ist, einerseits. Denn gewiss - hier geht es nicht ganz ohne Pathos - ist es einem verdienstvollen Regisseur zu gönnen und zu wünschen, nach einem eher frustrierenden Jahrzehnt wieder einmütig begeisterte Presse zu bekommen, mit einem Film ordentlich Geld einzuspielen und die lausigen Produktionsbedingungen der letzten Jahre hinter sich zu lassen. Warum nun aber ausgerechnet "Match Point" Allens bester Film seit Jahren (und, zwinker-zwinker, diesmal wirklich) sein soll, eine Erlösung von angeblicher Mittelmäßig- oder Belanglosigkeit, Neuland für den Regisseur und überhaupt eine filmische Offenbarung, will sich mir nicht erschließen. Und zwar überhaupt nicht.

All jene, die Woody Allen nach seinen letzten (und meist unterschätzten) Komödien, von "Small Time Crooks" bis "Anything Else", das Recycling alter Ideen vorwarfen und dabei neulich ausgerechnet beim so völlig missratenen "Melinda und Melinda" zu einer ausnahmsweise wohlwollenden Haltung bereit waren, übersehen, dass Woody Allen mit "Match Point" zur Abwechslung einen mehr als 15 Jahre alten dramatischen Stoff reinszeniert, und zwar, zwinker zwinker, diesmal wirklich sehr einfallslos. Manche Journalisten sind so freundlich, "Crimes and Misdemeanors" von 1989 immerhin zu erwähnen, wahrscheinlich gab es einen kurzen Verweis im Presseheft, aber dass "Match Point" nicht über diesen Film hinausgeht, eindimensionaler und in der Figurenkonstellation unglaubwürdiger ist, steht nirgendwo, höchstens im wilden Internetz.

Sollten Sie zu jenen gehören, die "Match Point" mochten und wissen möchten, wie dieselbe Geschichte nicht minder abgründig, aber ohne drögen Ernsthaftigkeitsgestus aussehen könnte, d.h. mit vielen brillanten Pointen, dann sehen Sie sich bitte "Crimes and Misdemeanors" an. Die Hauptfiguren werden, das ist schonmal ein wesentlicher Unterschied, von sogenannten "Schauspielern" verkörpert - Menschen, die beruflich mittels Mimik und Gestik sich eine Figur so erarbeiten und schließlich auch darstellen, dass sie glaubhaft wirkt (vgl. Anjelica Huston, Alan Alda, Martin Landau) und die daher in der dramatischen Inszenierung von Verwicklungen durch verschiedene Kniffe um einiges glaubwürdiger wirken als der Tennislehrer mit dem unbeweglichen Gesicht. Viele Dialoge in diesem Film, der übrigens viel besser ist als "Terminator", werden Ihnen aus "Match Point" bekannt vorkommen, aber plötzlich nicht mehr so unsäglich gespreizt wirken.

Ich will Ihnen "Match Point" nun keineswegs madig machen. Man kann ihn unterhaltend finden, wenn man den älteren Film nicht kennt, vergessen hat, oder ältere Filme sowieso nicht mag. Man kann sich seltsam unpassende Darbietungen schöner Menschen angucken, die Kameraarbeit interessant finden oder sich darüber freuen, dass es jetzt endlich nichts mehr zu lachen gibt im Kino. Man kann das aber auch bedauern. Und, wie immer, auf Allens nächsten Film hoffen.
Zuletzt geändert von jugend-musiziert am Mo Jan 23, 2006 9:09 pm, insgesamt 2-mal geändert.
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FinnCrisp
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Beitrag von FinnCrisp »

Aber Scarlett Johansson ist doch so süüüüüß!
I drove downtown, scanning the alleys until I saw a rail-thin Mexican kid standing by a dumpster wearing a St. Louis Rams jacket. The kid was wearing the jacket, not the dumpster.
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jugend-musiziert
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Beitrag von jugend-musiziert »

Das, lieber FinnCrisp, sehen die einen so, die anderen eher so. Ich finde ja, dass Scarlett Johansson z.B. in "Die Insel" mindestens genauso süß ist, also gut spielt, wie bei Allen, und dieser Film hat mich eher noch ein bisschen mehr überrascht mit seinen pfiffigen Wendungen. Stellen Sie sich das mal vor: Diese Insel existiert in Wirklichkeit gar nicht! Und überirdisch geht das Leben einfach weiter. Unglaublich.


jm
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lenin
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Beitrag von lenin »

Vielen Dank, Herr Musiziert, sie sprechen mir mal wieder aus der Seele.
Ich bin nach erstem Sehen des Films und zweistündiger Aufarbeitung mit einer cineastisch weitaus geschulteren Dialogpartnerin sogar zu dem, für einen Allen-Fan nahezu undenkbaren Verdikt gelangt: dies ist ein schlechter Film!
Nicht in erster Linie langweilig oder unlustig oder unspannend, das alles ist er auch, sondern tatsächlich SCHLECHT im simplen Sinn eines schlecht gemachten Films, der selbst seine ja durchaus ernstzunehmende „Message“, welche ja übrigens, anders als es viele Rezensionen glauben machen, eben gar nicht so neu und außergewöhnlich für Allensche Filme der letzten Dekade ist, auch noch unnötig verwässert. Ein wenig mehr stereotype Charaktere hätten hier womöglich Abhilfe geschaffen – vielleicht ist Allen einfach ein viel zu genauer und guter Menschenbeobachter, um einen Film zu drehen, der mit den in diesem Genre dann eben nötigen Vereinfachungen eine These auf den Punkt zu bringen im Stande ist.

So weit, so schwafel. Für alle Allen-Interessierten, die Match Point noch nicht gesehen haben, sei noch angemerkt: schauen sie sich den Streifen unbedingt im Original an (offenbar bin ich so Allen-hörig, dass ich ihm nach der Pleite mit der deutschen Fassung wenigstens noch eine zweite Chance geben wollte). Der Film wird dadurch zwar nicht objektiv besser, aber wenigstens kommt das englische upperclass-setting weitaus gelungener zum Tragen – in der deutschen Synchronisation ist auch dieses wichtige Rahmenelement leider gänzlich mißlungen.
Bild
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Axel G.
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Beitrag von Axel G. »

Kennen sie den schon: http://www.zelluloid.de/filme/index.php3?id=466?



Unverpassbar!


Axel G.
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jugend-musiziert
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Beitrag von jugend-musiziert »

Diesen Samstag wurde im (dafür nicht genug zu lobenden) Kino Babylon in Berlin der neue Film von Terry Gilliam, "Tideland", aufgeführt, der in Deutschland noch keinen Verleih gefunden hat. Da das Kino damit eine Gilliam-Retrospektive mit allen Filmen (plus einigen Dokumentationen) eröffnete, ließ es sich der Regisseur nicht nehmen, selbst anwesend zu sein, eine kleine Einführung zu geben und sich nach der Vorführung, wie es üblich ist, so zahl- wie belanglosen Zuschauerfragen zu stellen.

Gilliams neuer Film ist, vertrauen Sie mir, weder so langweilig wie manche Netzkritiker tun, noch so ambivalent und verstörend, wie Gilliam selbst es möglicherweise gerne hätte. Die Geschichte eines Mädchens, das sich in einer schrecklichen Situation in eine Phantasiewelt flüchtet, hätte kommerziell gewiss davon profitieren können, sich eindeutig festzulegen: die Überzeichnung mancher Figuren zurückzunehmen, um vielleicht ein bisschen mehr Empathie zu ermöglichen; oder aber auf die gefühlvollen Momente zu verzichten und Surrealismus und Humor galore zu bieten, sich vielleicht ganz auf die Phantasiewelt des Mädchens zu konzentrieren und auf die immer groteskere äußere Handlung zu verzichten. Doch hat Gilliam einen solchen Film ja erstens gar nicht gemacht und ist zweitens nie ein Regisseur gewesen, der Wert auf nahbare Figuren und gradlinige Plots gelegt hätte, zudem basiert "Tideland" auf einem bereits fertig geschriebenen Roman von Mitch Cullin, den ich nicht gelesen habe.

Der hochpoetische Film kann sehr anrührend sein, wenn man sich auf die konstruierte Geschichte einlassen mag, zum kontemplativen Staunen bereit ist, während andere gähnen, und – hier scheiden sich die Geister endgültig – wenn man ein sehr neunjähriges Mädchen als Hauptfigur ertragen kann. Dieser Aspekt polarisiert scheinbar weit stärker als die nekrophilen Momente oder einige bei anderen Aufführungen angeblich als pädophil missverstandene Szenen. Wenn Sie mich fragen: ein äußerst sehenswerter, bisweilen eben zuschauerfeindlicher, bösartiger Film. Wie immer bei Gilliam. Und die Hauptdarstellerin, Jodelle Ferland, die Meckerer sollen schweigen, beherrscht bereits im Kindesalter so viele Facetten, dass sie gar nicht genug verlernen könnte, um in den nächsten zehn Jahren zum Star mit durchschnittlichen Qualitäten zu schrumpfen. Gilliam dazu: "Sie war die Professionellste am Set. Ich war so stolz auf meine Entdeckung. Bis ich herausfand, dass sie in Kanada schon 25 Filme gedreht hatte. Mist."

Der humoristische Höhepunkt des Abends: Manche Zuschauer stellen nach der Vorführung Verständnisfragen und verlangen, Gilliam möge ihnen nachträglich einzelne Szenen erklären. Andere befragen den Regisseur lieber zu ihrem Lieblingsfilm "Brazil". Ein Zuschauer etwa will wissen, warum er, Gilliam, denn die Hauptrolle jenes Films mit Vincent Price besetzt habe. Der nämlich sähe ja John Cleese so unheimlich ähnlich. Ob er, Gilliam, denn eventuell Cleese für die Rolle hätte haben wollen, dieser aber verhindert gewesen sei und deshalb Vincent Price die Rolle bekommen habe, wegen der großen Ähnlichkeit, und dann halt so wie John Cleese habe spielen sollen. Gilliam erklärt, dass der Hauptdarsteller von "Brazil", Jonathan Pryce, vielmehr den Vorschlag gemacht habe, die Rolle ungefähr so wie Stan Laurel zu spielen, und dass er bei der Besetzung der Rolle zu keiner Zeit an John Cleese gedacht habe. Der Fragesteller hakt kritisch nach. Denn immerhin sei es ja denkbar, dass er, Gilliam, doch an John Cleese gedacht habe, weil man "damals" ja "sehr oft" zusammengearbeitet habe, in vielen Filmen. Gilliam erklärt nun, dass das zwar stimme, wenn man über die Pythons spräche, dass man aber nach der Trennung der Gruppe für eine ganze Weile bestrebt gewesen sei, sich in möglichst entgegengesetzte Himmelsrichtungen zu begeben, und dass er deshalb bei der Besetzung der Hauptrolle von "Brazil" auf gar keinen Fall an John Cleese gedacht habe. Außerdem sähen sich Jonathan Pryce und John Cleese so unheimlich ähnlich gar nicht. Der Fragesteller, jetzt ein bisschen bockig, hat einen weiteren Einwand, den er mit „But maybe“ beginnt, der allerdings nicht mehr bei mir ankommt, weil ihm von seinen allzu peinlich berührten Sitznachbarn das Mikrofon entrissen und schnell nach ganz weit hinten durchgereicht wird. Gilliam, amüsiert, beschließt das Gespräch mit den Worten: „Thank you for reminding me what I was not thinking thirty years ago.“

Später hat er dann noch sehr freundlich Bücher signiert.

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Pelzer
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Beitrag von Pelzer »

jumu, ich beneide sie ein bißchen! tideland gibt es wohl schon bald auf dvd, gerade vor zwei tagen habe ich ihn auf meine einkaufsliste gesetzt.
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Prof. Adorno
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Beitrag von Prof. Adorno »

Hat ihn denn auch irgendjemand auf diese unsäglichen 'Brüder Grimm' angesprochen? Oder gelten die inzwischen als apokryph?
Ich bin gut informiert. Ich weiß viel. Ich habe viel Material.
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jugend-musiziert
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Beitrag von jugend-musiziert »

Nein, Herr Professor, die Grimms wurden nicht erwähnt. Ich finde den Film ja gar nicht so schlimm bzw. grob unterschätzt. Zumindest die Szenen mit Jonathan Pryce und Peter Stormare sind doch sehr witzig, wenn ich mich recht entsinne. Man hätte eben bloß die Brüder Grimm weglassen sollen.

Pelzer, es gibt bereits eine passabel ausgestattete chinesische DVD von "Tideland", die ich gleich am Sonntag in der weltbesten Videothek um die Ecke ergattern konnte. Allerdings konnte ich dort keine weiteren Fürsprecher des Films finden ("What a boring title!" - "Warum stirbt das doofe Mädchen nicht?") Seien Sie sich also bitte bewusst, dass ich in dieser Sache eventuell die etwas andere Meinung vertrete.
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