Roland H. aus Köln

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Pelzer
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Roland H. aus Köln

Beitrag von Pelzer »

> ----- Original Message -----
> From: "Roland H"
> To: <info@SuperLupo-magazin.de>
> Sent: Thursday, August 14, 2003 3:35 PM
> Subject: Papa Löwe erklärt den Gsella am Donnerstag
>
>
> > Sehr geehrte Damen und Herren,
> >
> > anhand des dieswöchigen Donnerstagsgedichtes Ihres Kollegen Thomas
Gsella
> > hat wurde von einem lieben Freund eine Analyse, Exegese wasauchimmer
> > erstellt, die ich Ihnen samt kurzem anschliessendem mailflow zukommen
> > lassen möchte.
> >
> > mfg
> > Roland H
> >
> >
> > ---- Semih Ö.: ----
> >
> > Toll finde ich die althergebrachte Formenstrenge in Kombination mit
> moderner
> > Erwartungshaltung:
> > In der Form acht vierhebige Verse mit Kreuzreim. Eine Zäsur nach dem
> vierten
> > Vers, die keine inhaltliche Äquivalenz findet. Damit wird ein
> > Spannungsmaximum erreicht. Schon ab dem drittem Vers deckt sich der
> > syntaktische Aufbau nicht mehr mit dem formalen. Erst in dem vorletzten
> Vers
> > kehrt der Urzustand wieder zurück, zusammen mit der abrupten
Argumentation
> > über das Schließen des Gedichts. Die Steigerung "klein - größer - groß"
> ist
> > ab Vers Drei erreicht. Hier gerät das Syntax-Form-Verhältnis aus den
> Fugen.
> > Es folgt eine weitere Steigeung des Superlativs durch Häufung von
Bildern,
> > die sich überschlagen, fast orgasmatisch zucken. Erotisch geladene
> > Signalwörter wie "Herz" (V. 3), "rote Lippen" (V. 5) und "Hände" (V. 5),
> die
> > den "Großen" sanft umflirren (vgl. V. 6) folgen gedrängt aufeinander.
Die
> > erotische Ladung der Signalwörtern ist in ihrer Reihenfolge genau
> > proportional Umgekehrt zu der Steigerung des Titels: Von der cordealen
> Mitte
> > des Menschen über die Lippen zu den Händen an den äußersten Extremitäten
> und
> > schließlich den Körper verlassend: der Wind. Ein Memento mori an den
> > Orgasmus. Ernüchtert folgt nun der Schluss. Der Dichter spricht aber
nicht
> > davon, dass er dieses Gedicht beendet, sondern er bezieht den Leser/ das
> > Publikum schon von Anfang an mit ein: Er verwendet das Personalpronomen
> der
> > ersten Person Plural: "wir" (V. 7). Dies und der unpoetische Ton mit dem
> > Kraftausdruck "scheiße" (V. 8) versuchen die klassischen Strukturen von
> > zuvor mit der Erwartungshaltung eines zeitgenössischem Publikums zu
> > versöhnen. Ein Kunstgriff, der das Können des Künstlers beweist und mir
> > persönich in der modernen Lyrik viel zu selten vorkommt.
> >
> > Sicher sind in dem Gedicht noch viel mehr Einzelheiten zu erkennen. Aber
> > diese offen zu legen, ist an dieser Stelle keine Zeit mehr. Die gebotene
> > Kürze verbietet mir die Ausführlichkeit.
> >
> >
> > ----- Roland H.: ----
> >
> > Das einzige, was ich [in Deiner Analyse] nicht verstanden habe:
> > "Eine Zäsur nach dem vierten Vers, die keine inhaltliche Äquivalenz
> findet."
> >
> > M.E. geht der vierte Vers doch direkt in den 5. über?! Die Zäsur ist nur
> > optisch und rhythmisch vorhanden und verwirrt dadurch, oder? Eine
> > inhaltliche Zäsur sehe ich eher zwischen Vers 3 und 4, owohl ich da
neblig
> > eine Verbindung spüre, die mir aber ich aber nicht sinnvoll begründen
> kann.
> >
> >
> > ---- Semih Ö.: ----
> >
> > Die Zäsur war auch rein formal zu verstehen: erstes Kreuzreimpaarende
plus
> > Leerzeile gleich optischer Beginn einer zweiten Strophe, aber inhaltlich
> > nich´, sogar noch nicht einmal eine Satzphrasenzäsur am Zeilenende!
Mitten
> > im Sinn eine Leerzeile! Das meinte ich mit Äquivalenz: Form und Syntax
> sind
> > nicht deckungsgleich. Hätte ich bestimmt besser ausdrücken können.
> >
> > Zw. V. 3&4 sehe ich keine Zäsur, da der Satz in V. 4 weitergeführt wird
> und
> > die Umstände um das verlorene Herz konkretisiert werden (an wen?
> wodurch?).
> > Poetisch ist V. 4 eine Durststrecke (vielleicht dadurch der
> Bezugsverlust?):
> > Zu viele Pronomen und Präpositionen. Eher Weitung als Dichtung.
> >
> > Ich hätte wohl eher keine Leerzeile eingefügt. Wenn drauf bestanden
wird,
> > vielleicht nach V. 2 und V. 6. Ist aber problematisch. Nicht nur wegen
der
> > Kreuzreime. Vielleicht sollte man eher mit "Tabstops" arbeiten?
> >
> > -- eot ---
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