Strukturanalytische Mythologisierung von C64-Bildersprache

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Weltalltag-Man
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Strukturanalytische Mythologisierung von C64-Bildersprache

Beitrag von Weltalltag-Man »

Die Bildersprache alter C64-Spiele strukturanalytisch mythologisiert
>>DER semiotische Luxus für postmaterielle Genießer<<

Die Bilderwelten alter C64-Spiele verbanden sich für mich schon immer mit den Figuren und Geschichten auf südamerikanischen Teppichen. Beide sprechen zu mir durch die Reduktion auf das Symbolhafte in einer kräftigen, manchmal ins lustvolle reinreichenden, wenn nicht gar überschwappenden, sogar durch und durch triefenden, knapp: unerträglich intensiven Sprache.

Beweisstück 1: Dieser Teppich
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In den digitalen Mosaiken steuern und interpretieren wir nun solche Zeichen, die in der gleichen Weise wie Schrift Inhalte und Handlungen erschaffen. Spielen ist schreiben, manchmal eben auch legasthenisch.

Denkbild I - QuoVadis (1984)

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Nach dem ersten Entzifferungsprozess schillern in den Ikonen und freskenartigen Wandmalereien eine Vielzahl von Botschaften und menschlichen Grundaussagen. Es handelt vom Aufbruch in die Fremde und von der Konfrontation mit Problemen, etwa mit einer arg begrenzten Farbpalette.

Eines der häufigsten Motive in Videospielen ist "Player One", der für mehr steht als die sterbliche Hülle des Menschen - das Kreuz auf dem Schild kommt nicht von ungefähr. Es muß wohl auch den Unmut mancher Eltern in sozialistischen Länder hervorgerufen haben, daß die Kinder in so vielen Actionspielen eine einzelne Figur gegen ein homogenes Feindkollektiv steuerten. Ganz klar, da kommt man dann mit was Großem wie Tetris raus (das eine Flut von Spielen ohne Subjekt nach sich zog) und plötzlich helfen alle freiwillig mit, schön Mauern zu bauen. Meine Oma spielte eines Nachts solange Tetris, bis sich das Hintergrundbild in den Fernseher einbrannte.

Kein Putz wird je von diesen Bildern abbröckeln, die Figuren verfallen im Lauf der Zeit nicht zum Torso. Jedes digitale Spiel ist sein eigener Mythos, es existiert zeitlos - in diesem Fall die 1A Simpelheimer-Spielaufgabe "irgendwas einsammeln und nicht draufgehen".

Ausblick:
Dies ist ein sehr guter Platz zum Posten von Computerspielstandbildern oder -erinnerungen, die ihnen einfach gut gefallen, wieso auch immer (siehe 'Punctum'). Ich werde unter geeigneten Vorrausetzungen Texte über 8Bit-Darstellungen von Göttern, Wasser, Nymphen, Hydranten etc in äußerst unregelmäßigen Abständen veröffentlichen.

Literatur:
Georg Seesslen: "Pacman und Co", Reinbek 1984.
L. vom Hocker: "Die Breitarschkatze", Internet 2006.
Roland Barthes: "Die helle Kammer. Bemerkung zur Photographie", Frankfurt am Main 1989.
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Quodlibet
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Atariartigkeiten

Beitrag von Quodlibet »

Das Leben als Kampf, der Kampf um das Leben

ist ein immer wiederkehrendes Motiv der Gruppe C64.
Während die Avantgardisten der Computergrafik orgiastisch in 16 Farben schwelgten, um diesen uralten Menschheitskonflikt darzustellen, gingen die Minimalisten unter ihnen radikal andere Wege:


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Strikte, ja schroffe Formen, die nur für das müde Auge Schlieren über den Bildschirm zu zeichnen vermögen, und die selbst auferlegte Beschränkung auf die Protagonisten schwarz und weiß fokussieren die Aufmerksamkeit des Betrachters auf das Wesentliche: Den immerwährenden Kampf um die nackte Existenz, Steigen oder Sinken, Amboß oder Hammer sein - purer Darwinismus des Joysticks.

Selten ist das Leben in all seinen Facetten so eindringlich dargestellt worden wie im Werk „Pong“ (Atari, ca. 1983). Der unbekannte Meister setzt damit gerade in Zeiten der stickstoffgekühlten Grafikkarten und 3-D Animationen schwer erreichbare Maßstäbe.
Zuletzt geändert von Quodlibet am So Mär 11, 2007 4:34 pm, insgesamt 1-mal geändert.
"Die Dynamik der Verbesserung lässt etwas nach" Frank-Jürgen Weise
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Olaf Ittenbach
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Beitrag von Olaf Ittenbach »

Seit wann ist bei Pong der Ball denn rund?


PS: zwar etwas am Thema vorbei, aber hier gibts Dub der u.a. mit Samples aus alten Computerspielen gemacht wurde:

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http://www.jahtari.org

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Der verbreitetste Ruffel ist der Unruffel!
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Quodlibet
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Beitrag von Quodlibet »

Olaf Ittenbach hat geschrieben:Seit wann ist bei Pong der Ball denn rund?
Sie haben wohl zu lange auf die Grafik gestarrt? Der Ball ist natürlich eckig.
"Die Dynamik der Verbesserung lässt etwas nach" Frank-Jürgen Weise
Weltalltag-Man
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Beitrag von Weltalltag-Man »

Lieber Herr Ittenbach, this link made my day. Dub mag ich auch sehr gerne und habe tatsächlich auch mal eine Dubversion vom Tetristune gemacht. Das einzige, was ich in der Richtung mal fand war auf der remix.kwed.org-Seite und zwar dieses Stück.
hebe-eck
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Beitrag von hebe-eck »

:D
Zuletzt geändert von hebe-eck am Di Jul 06, 2010 5:13 am, insgesamt 1-mal geändert.
Weltalltag-Man
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Beitrag von Weltalltag-Man »

Ah ja, danke, da haben PlugIns mittlerweile auch Wikipediaeinträge, bald stehen da hoffentlich auch Memoriale von mit der Zeitung gecrushten Hausspinnen drin.

Geräusche wiederum hab ich selten gecrusht, sondern machte sie lieber murmelig und chillig, vielleicht damit ich mir das theoretisch auch noch im hohen Alter anhören kann.
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wurstdüse
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Der Quiz zum Sound

Beitrag von wurstdüse »

Zugegeben, es ist nicht so richtig On-Topic,
ich hoffe aber, dass Sie bei diesem Quiz ebenso in Erinnerungen schwelgen werden wie ich.

Viel Spaß!
Der Auswurf ist die Auster des kleinen Mannes (G. Polt)
Weltalltag-Man
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Re: Strukturanalytische Mythologisierung von C64-Bildersprache

Beitrag von Weltalltag-Man »

Bilder sind sinnstiftende Reduktionen des sinnlich Erfahrbaren. Doch wieviel Lebenszeit steckt mittlerweile in dieser höchst neurotischen Arbeit an der Verwaschung aller Pixel? Woher kommt dieser aggressive Drang, vergessen zu machen, dass man sich dem Anorganischen aussetzt? (Filmtip: der auch schon wieder 10 Jahre alte 'eXistenZ')

Höchste Zeit, erneut aufzubrechen zu den alten Beschäftigungsspielen mit ihren archaischen Symbolen und verkorksten Steuerungen, um den Finger auf wunde Zeitpunkte zu legen, an denen der Pixelsee noch unentschlossen zwischen utopischer Traumsprache und top-ödem 'Realismus' hin und her schwappte.

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Links: Schamanenfummel aus den Anden (~1500); Rechts: RoboTron (~1983)
"Traditionell werden Gottheiten, Riten, aber vorallem Handlungen aus dem Alltag dargestellt. Heute werden die einstmals damit verbundenen Aussagen und Bedeutungen oft nicht mehr verstanden."

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Links: Teacher Busters (~1985) - "Amok! Wenn bloß mal jemand auftauchen würde, z.b. der Restaurant-Koch (eXistenZ...)"
Rechts: Cell Defense (1984) - "Na, dann eben Amok IM Körper -> Cogito ergo Bumm"
(Notiz: Letzteres Spiel deutlich cooler als ein Großteil der zeitgenössischen zuckerglasierten 'Pixelart' Nintendo-verseuchter Amis)

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Links: Batalyx (1985) - Geschafft: die Transzendierung des ewigen Projektilausstosses der Spielerfigur!
Rechts: Dackelklatsch (~1993) - Autodidaktische Perversiflagen aus deutschen Teeniemüffelbuden gaben Grund zur Hoffnung

Soviel erstmal zur alternativen History of Ballern. Nächstes mal dann endlich der Abstecher zu den Wassernymphen oder Astral-Highscore-Knacken oder so...
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