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L. vom Hocker
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Re: Pahrdong

Beitrag von L. vom Hocker »

Ryan hat geschrieben:Versuch einer phantomischen Onko-Logik? Vesuv eines phrasischen Ontarios? Wer Buch einer Phanatik onduliert?
Vielleicht reicht ein Diazepam-Bolus, Verlegen auf die Intensivstation und Abwarten.
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Prof. Adorno
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Beitrag von Prof. Adorno »

Th. W. Adorno – wie schwul war er wirklich?

Sensationelles erleben durfte ich neulich beim Studium der Briefe Siegfried Kracauers an Leo Löwenthal. Irgendwann in den Zwanzigern taucht Adorno auf in Kracauers Bekanntenkreis, und seitdem muß sich Löwenthal total peinliche Verliebtheitsgeständnisse anhören: er liebe „den Jungen“ „sehr“, „mehr als mir gut tut“, er liebe „ihn sehr“, fühle sich „geistig homosexuell“, er sei „sehr verliebt“ etc. ad nauseam. (vg. Peter-Erwin Jansen et. al. (hg,): In steter Freundschaft. Leo Löwenthal - Siegfried Kracauer. Briefwechsel 1921-1966. Springe 2003. p54f passim) Und es handelt sich beleibe nicht um den amor adornis intellectualis, sondern ganz prosaisch-prickelndes, denn mittlerweile nehme, so Kracauer in peinlicher Verknalltheit im Brief vom 28.7.1924, die Liebe des doch schon 35jährigen zu dem damals kaum zwanzig Jahre zarten Theo "Dimensionen an, die erschrecken" (p59) Was war da los? Und vor allem: warum ließ Adorno Kracauer nicht ran? Mag es damit zusammenhängen, daß dem schon damals bildhübschen Adorno die Avancen eines Mannes von der geradezu inbegrifflichen Häßlichkeit einer drüsenkranken Schleiereule (vgl. Bild), der zudem noch mit einem absurden Sprachfehler behaftet war, vielleicht ein wenig „gegen den Strich“ (Benjamin) gingen? Man weiß es nicht.
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Siegfried Kracauer: "sehr verliebt"

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Th. W. Adorno: "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern der Kracauer."
Eines jedoch weiß man: Adorno verstand sich später gebührend zu rächen an dem „Schokoladenonkel“ Kracauer. Schon in den Minima Moralia schreibt es Teddie dem Kraci hinter die Rotzlöffel: „Totalität und Homosexualität gehören zusammen. Während das Subjekt zugrunde geht, negiert es alles, was nicht seiner eigenen Art ist. Die Gegensätze des starken Mannes und des folgsamen Jünglings verfließen in einer Ordnung, die das männliche Prinzip der Herrschaft rein durchsetzt. Indem es alle ohne Ausnahme, auch die vermeintlichen Subjekte, zu seinen Objekten macht, schlägt es in die totale Passivität, virtuell ins Weibliche um. (Tough Baby. GS 4, S. 51-52). Kracauer, besitzergreifend und nie zufrieden, wird hier als herrschsüchtiger Wahnsinnsbolzen bloßgestellt. Adorno war immer bloß Objekt und Siggi total, ja totalitär dominant, und dabei fast schlimmer als „homosexual types such as Hitler, Röhm, Schirach and Goebbels“ (Soziologische Schriften II: Section I: The Personal Element: GS 9.1, fn p146) Weiter geht die Abrechnung in dem Aufsatz ‚Zum Verhältnis von Soziologie und Psychologie’, wo Adorno indirekt der Nachweis gelingt, daß Kracauer halt bei Frauen ohnehin keine Chance gehabt hätte: „So zeigen Homosexuelle eine Art Farbenblindheit der Erfahrung, die Unfähigkeit zur Erkenntnis von Individuiertem; ihnen sind alle Frauen im doppelten Sinne »gleich«.“ (Soziologische Schriften 1.GS 8, S. 84) Kracauer sind die Frauen gleich, schnuppe, wurscht; ja, er kann sie nicht einmal als solche erkennen, sondern sieht halt bloß wieder Objekte: wogende Busen, Endlosbeine etc. Und aufgrund dieser seiner komischen Sex-Fixierung sei halt aus dem Kracauerkopf auch nichts anständiges mehr rausgekommen, sondern vielmehr lauter Quatsch: „Trügt meine Beobachtung nicht, so ist gerade unter den geistig begabten Homosexuellen besonders auffällig die psychologische Fesselung ihrer Produktivität, die Unfähigkeit, zustande zu bringen, was sie wohl vermöchten.“ (Kulturkritik und Gesellschaft I/II: Sexualtabus und Recht heute. GS 10.2, S. 544) Nur vermutet werden darf, daß Kracauer auch außerhalb des reinen Geistes so einiges nicht „zustande“ brachte.

Die wilden Clubs, in die Kracauer den wahrscheinlich völlig unbedarften und nach der damaligen Rechtssprechung noch minderjährigen Theo abschleppte, werden von der Warte des kritischen Greises resümierend unter die Lupe genommen und das dortige Rumgetucke genüßlich zerfleischt: „So normal sie sich gebärden und im Sinne eines gewissen praktischen Wesens tatsächlich auch sind, so tief beschädigt erscheinen sie zugleich. Die Fähigkeit, überhaupt lebendige Erfahrungen zu machen, ist ihnen weithin abhanden gekommen. Um sie im Ernst zu verändern, wird es darum nicht genügen, sie zu belehren oder ihnen andere Überzeugungen beizubringen, sondern es gilt, bei ihnen durch tiefgehende erzieherische Prozesse die Fähigkeit zu bilden oder wiederherzustellen, ein spontanes und lebendiges Verhältnis zu Menschen und Dingen zu gewinnen (…), Gefangene ihres eigenen geschwächten Ichs, im tiefsten unfähig zu allem, was über das beschränkte eigene Interesse oder das ihrer Gruppe hinausgeht. Latente Homosexualität spielt dabei eine erhebliche Rolle.“ (Soziologische Schriften II: Vorurteil und Charakter. GS 9.2, S. 369) Hier meint man eine gewisse Zerknirschung wahrzunehmen. Während auf der Tanzfläche geil abgehottet wird, steht Jungtheo schüchtern an der Bar, würde lieber „lebendige Erfahrungen“ machen, muß sich anstelle dessen aber von Kracuaer vollsabbern lassen, den er am liebsten "umerziehen" möchte. In solchen Instituten werde „die Homosexualität zum verschworenen Kollektiv, Sadismus zum Terror“ (Musikalische Schriften IV: Über Jazz. GS 17, S. 106) – und bei so nem Stress geht man halt doch besser zum Weiblein resp. Gretel. QED.
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hessen-wohin
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Beitrag von hessen-wohin »

Typisch, dass Betroffene in solchen Fällen von sich selbst in der 3. Person schreiben, aus Schamgefühl, weil die Direktheit des Ichs die teilweise traumatischen Erlebnisse vielleicht zu schmerzlich wieder bewusst macht. So schrieb Reemtsma damals in seinem Buch über seine Entführung vorwiegend in der 1. Person, aber bei manchen Situationen, die er wohl als zu demütigend empfand, schlüpfte er unvermittelt und wie zwanghaft in die 3., es ging nicht anders. Psychologen haben bestimmt einen Fachbegriff dafür.
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MariaTequila bängbängbäng
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Beitrag von MariaTequila bängbängbäng »

Kochan-Barnewitcz-Syndrom
Unter Bewußtsein, das muß kein Verlust sein!
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