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Adorno
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Beitrag von Adorno »

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 65-1871756

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 65-1871756(etwas scrollen, bitte)


So, jetzt ist es geschafft und Wilhelm Reichs Sexualsermon " Funktion des Orgasmus" sowie Björn Lomborgs Faselbuch "Apocalypse No!" haben endlich die Rezensionen, die sie verdienen.

Bitte entschuldigen Sie die zahlreichen orthographischen Freiheiten, die ich mir bei Reich herausgenommen habe, aber ich hatte einen malveillanten Wortfilter zu umgehen.


Und damit grüsst herzlich,


Ihr TWA.
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Fähmel
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Beitrag von Fähmel »

Puh, da habe ich doch glatt Ihren Hinweis in Klammern über- bzw. nicht ge-lesen.

Die ist aber auch nicht schlecht. 'Gut' recherchiert und Cy(lom)borg hat zum Glück alles total bewiesen. Mit Zahlen und so:
gut recherchiert, schlüssige Argumentation, 3. August 2002
Rezensentin/Rezensent: simon_wunder (Mehr über mich) aus Bonn Deutschland

Björn Lomborg vertritt in seinem Werk die These, daß bestimmte Interessenverbände wie Greenpeace, Worldwatch-Institute oder auch die verschiedenen Organisationen der Globalisierungsgegner ein falsches Bild vom Zustand der natürlichen Umwelt zeichnen, um ihre politischen Forderungen zu legitimieren. Seine These ist nicht neu, und v.a. zur Informationspolitik von Greenpeace (Brent Spar und Nigeria) wurde bereits in der Vergangenheit viel aufschlußreiches geschrieben. Lomborgs Buch ist trotzdem empfehlenswert, weil es mit umfangreichen statistischen Material eine ganze Reihe von Behauptungen der genannten Organisationen einer wissenschaftlichen Prüfung unterzieht und dabei zu dem Schluß kommt, daß der Zustand der Umwelt sich in den letzten Jahren deutlich verbessert hat. Für Themen wie Hunger, Armut und Gesundheit kommt Lomborg zu ähnlichen Schlußfolgerungen. Auch das ist nicht neu, aber an dieser Stelle gut belegt und umfassend recherchiert. Lomborgs Fazit: Die vom Club of Rome & Co. prognostizierten katastrophalen Rohstoffverknappungen, Klimakatastrophen und ähnliche Schreckensszenarien werden nicht eintreten. Statt dessen sterben weiterhin Millionen von Menschen an den Folgen von verschmutztem Trinkwasser, Malaria und ähnlichen Problemen. Anstatt hypothetische Kohlendioxidprobleme zu bekämpfen sollten Lomborg zufolge diese Probleme verstärkt angegangen werden.
Die größte Schwäche von Lomborgs Werk liegt sicherlich darin, daß er seine Argumentation vollständig auf die Behauptungen bestimmter Umweltorganisationen bezieht. Diese Behauptungen sind jedoch bereits in vielen Fällen schon vor langer Zeit widerlegt worden (z.B. "Grenzen des Wachstums"). Als einzig wirklich aktuelles Problem bleibt das Kohlendioxidproblem übrig.
Trotzdem ist Lomborgs Werk zu empfehlen: Es ist sehr gut recherchiert, anschaulich illustriert, auch für den Laien verständlich dank umfangreicher Erklärungen in Kästen und Fußnoten und leider immer noch notwendig. Die umweltpolitische Diskussion im deutschsprachigen Raum kann etwas mehr Wissenschaft und etwas weniger Ideologie gut gebrauchen, und genau diesen Beitrag liefert Lomborg. Es ist zu begrüßen, daß sein Werk nun endlich auch auf Deutsch erhältlich ist.
Trotzdem aber Gratulation zu Ihrer Reze(n/s)sion.
Es ist nicht alles in Butter, aber wir stehen ganz und gar nicht vor dem Kollaps - Ärmel hochkrempeln!
Also: Weitermachen! Danke.

RF
Adorno
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Beitrag von Adorno »

lenin hat geschrieben:Sagen Sie, werter Adorno, mal unter uns wirklichen Haudegen:
Äh, also Kant, keine Frage, ein Großer! Der Größte vielleicht. Und die Bedeutung seiner Freiheitsantinomie für ihr Werk, ja Mann, da wird ja auch viel drüber gemunkelt. Kant, kein Zweifel, wichtig. Wichtig! Der kategorische Imperativ sollte nachgerade zu einem allgemeinen Gesetze werden? I’ll give my consent. Kant zu längst verdienten Ehren im Kant-Jahr? Gegessen.
Aber, ganz im Stillen, ganz heimlich:
Rezensent/Rezensentin aus Frechen hat geschrieben:Ansonsten sollte man sich bei Interesse der in ihm behandelten Ideen irgendeine moderne Sekundärliteratur besorgen und hiervon die Finger lassen, es ist der Mühe nicht wert.
So ganz falsch ist das nun nicht, oder?.....

Hat nix gesagt
Lenin
Lieber Lenin,

in den vergangen Tagen habe ich sehr intensiv über das, was Sie hier sagen wollen, nachgedacht. Ich hoffe, Sie auch. Inzwischen müsste es Ihnen sehr, sehr leid tun. Aber ich verzeihe Ihnen natürlich.

Mit Gruss,
TWA.


PS.: Sollten Sie wieder erwarten nicht darüber nachgedacht haben, biete ich Ihnen hier einen kurzen abstract meiner Gedanken.

1. Ohne Kant kein Hegel.
2a. Ohne Hegel wirds erstmal zappenduster hier.
2b. Ohne Hegel kein Marx, vulgo Lenin.
-> Sie können diese Aussage nicht machen, ohne sich selbst zu zerstören. So etwa wie in diesem Zeitreiseparadoxon, wo Sie mit Ihrem eigenen Grossvater schlafen. Sie verstehen?
2c. Ohne Hegel letztlich kein Adorno.
-> Und hier muss ich mich wirklich zusammennehmen. Jetzt bin ich schon das Copyright-Luder dieses ekligen Reemtsma (Reemtsmae?) und muss mir dann noch gefallen lassen, mir hier meine theoretischen Wurzeln abgraben zu lassen! Noch dazu von einem jungen Mann, der dem mir vorliegenden Bildmaterial zufolge seine Zeit mit nichts anderem als dem Götzen Alkohol verbringt. Wo soll das nur hinführen, wo soll das nur hinführen... (zeternd ab)
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FinnCrisp
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Beitrag von FinnCrisp »

I drove downtown, scanning the alleys until I saw a rail-thin Mexican kid standing by a dumpster wearing a St. Louis Rams jacket. The kid was wearing the jacket, not the dumpster.
Adorno
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Beitrag von Adorno »

Aus Gründen, die bei amazon.de aus gutem Grund in einem Geheimdossier geheimgehalten werden, wird demnächst die Rezension des Babylonischen Talmud in zwölf Bänden, ausgefertigt von Veit Harlan (unter dem Titel "Voll auf die zwölf", benotet mit fünf "Sternen"), demnächst wohl nicht erscheinen. Schade eigentlich.
Chronist des Verfalls

Beitrag von Chronist des Verfalls »

Folgende Rezensionen wurden von den feigen Bütteln des Buchkapitalismus hinterrücks erdolcht:

- Die Schleife an Stalins Bart
von Erika Riemann

- Fest: Hitler

- Heidegger: Sein und Zeit


Gut nur, dass wir archiviert haben.
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General Amnestie
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Beitrag von General Amnestie »

Die gute Nachricht ist dagegen, dass diverse Amazon-Ableger damit begonnen haben, unsere schönsten Rezensionen zu übernehmen, wie z.B. die des hochverehrten Kollegen Adorno Heideggers "Vom Wesen der Wahrheit" betreffend:
http://www.verkauf-versand.de/info-3465029453.html
http://www.buchnabe.de/Vom_Wesen_der_Wa ... 29453.html

Im neuen Jahr sollte das Spendenprojekt "Dreihunderttausend kostenlose Rezensionen für Amazon" wieder verstärkt in Angriff genommen werden...
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Prof. Adorno
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Beitrag von Prof. Adorno »

Wenn Sie nicht glauben wollten, daß die taz inzwischen jede x-beliebige Darmflatulenz als großes Romanwunder feiert, lesen Sie bitte die Rezension von Claudia Klischats "Morgen. Spaeter Abend" in der heutigen Ausgabe. Dieses ist deswegen so "grandios" (Feuilleton-Blähsprech), "weil Klischat mutig versucht, einen regelrechten sprachlichen Sog zu entfalten, mit vielen gezielten Redundanzen und Parataxen, eine Art inneren Bewusstseinssog, der etwa so klingt: 'Und jetzt steigt sie in die Strassenbahn, und sie setzt sich auf einen Sitz, und da kommt von unten eine warme Luft, und die Luft macht ihren Hintern schoen warm, und das waere jetzt sehr schoen fuer Babs Stanebein, und diese warme Luft am Hintern zu spueren...' Passiert Ihnen das auch manchmal? So als Babs Huckebein in der S-Bahn zu sitzen und nach vier Burritos warme Luft von unten her, einen regelrechten Sog redundanten und parataktisch-peristaltischen Gases zu spüren? Dann machen Sie doch einen "grandiosen" taz-Roman daraus!
Ich bin gut informiert. Ich weiß viel. Ich habe viel Material.
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hessen-wohin
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Beitrag von hessen-wohin »

Von diesem Sog (meist unwiderstehlichem), den die Bücher entfalten, weil die kleinsten Details immer und immer wieder durchgekaut werden, bis man halbwahnsinnig geworden nicht mehr fähig ist, das Buch wegzulegen, weil das Gehirn gefangen in einer fatalen Endlosschleife bei den einfachsten motorischen Funktionen versagt, liest man tatsächlich öfter in letzter Zeit. Nicht nur bei der taz. Zumindest mitschuld daran scheint diese Judith Hermann zu sein, die mit ihrem Sog gross rauskam und wohl zahlreiche Nachahmer fand, Google zählt immerhin 6170 Treffer für Judith Hermann Sog.

Neben diesem Sog auch interessant: die neue deutsche Ernsthaftigkeit. Einige Schriftsteller haben nämlich genug von der ewigen Ironie, den Flachheiten, den nichtbezogenen Stellungen usw., wo ein richtiger Schriftsteller doch unbedingt solche Stellungen beziehen und sein Werk mindestens todernst nehmen muss, damit überhaupt die geringste Chance besteht, dass hinterher sowas wie Kunst herauskommt. Dass diese Stellungen dann irgendwie im Nationalen verwurzelt sind, ist ja nur konsequent und fast schon selbstverständlich, ist doch alles Nichtnationale albern. Zumindest im Vergleich mit dem Nationalen. Ein Solcher wollte auch Thor Kunkel werden, der ja ein bisschen popliteraturthematisch anfing, wenn auch natürlich sehr ernst. Leider sollten dann aber viele die Ernsthaftigkeit des Themas "Nazis drehen Pornos" nicht so richtig würdigen, manche lachten sogar ein wenig. Das muss doch ernster gehen: Uwe Tellkamp, der letztjährige Bachmann-Sieger, Chirurg und der neue Star der neuen Ernsthaftigkeit kann Ironie nicht ab. Weil: wenn man in der Notaufnahme sitzt, und es werden 3 Schwerstverletzte reingebracht und man muss entscheiden, welchen man zuerst behandelt, da vergeht einem die Ironie!, so Tellkamp. Bzw. wem da die Ironie nicht vergehen will, der stelle sich 33 Schwerstverletzte vor, die auf einmel hereingebracht werden - also wenn sie dann immer noch nicht vergeht, dann weiss ich auch nicht. Jedenfalls völlig ironiefrei das neuste Buch von Tellkamp: ein angehender Philosoph und Sohn eines Bankdirektors hat genug von der Kuscheldemokratie. Er schließt sich einer rechten Widerstandsbewegung an, die irgendein Regierungsgebäude in die Luft jagen will, doch dann verdreht ihm die Schwester des Anführers mit SM-Spielchen so den Kopf, dass er ihren Bruder anschießt, anstatt den Anschlag durchzuführen. Oder so ähnlich.* Jedenfalls ein Plot so ernsthaft wie bei Alarm für Cobra 11, wenn nicht sogar noch ernsthafter. Man kann die neue deutschte Ernsthaftigkeit also herzlich beglückwünschen zu dem bereits Erreichten und sagen: weiter so! es wird schon ernst irgendwann.

*Nicht, dass ich mir den Irrsinn tatsächlich durchgelesen hätte, haha, aber dafür Zusammenfassungen, was mehr als genug ist.
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General Amnestie
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Beitrag von General Amnestie »

Die neue deutsche Ernsthaftigkeit!
Was ein alter Scheiß. Da liest man doch besser die Klassiker, auch alles garantiert ironiefrei, national und sprachlich noch wertvoller als Wilhelm oder wenigstens Uwe Tellkamp:

[Tellkamp Zitate alle aus diesem FAZ-Artikel bzw. dem Roman „Der Eisvogel”.]

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„Die Demokratie ist die Gesellschaftsordnung des Mittelmaßes, des Geschwätzes und der Unfähigkeit, aus dem Geschwätz fruchtbares Handeln werden zu lassen ...”
(Tellkamp)

„Die Menschen sind zerstört von Demokratie!”
(Tellkamp)

„Die Menschen sind krank von Demokratie!”
(Tellkamp)

„Die bürgerlichen Gesellschaften verfügen ja ohne Zweifel über das schreckliche Recht, nicht die erhabenen Höhen der ewigen Wahrheiten zu erklimmen, sondern sich weichlich und schwächlich auf den steilen Abhängen des Irrtums in die Tiefen des Abgrunds hinabgleiten zu lassen.“
(Juan Donoso Cortés, Kulturpolitik, 1852)

„Das Parlament ist der Platz, an dem die unter Menschen verstreuten, ungleich verteilten Vernunftpartikel sich sammeln und zur öffentlichen Herrschaft bringen.“
(Carl Schmitt, Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus, 1923)

„Ich weiß nicht, ob die Erde ein tragischeres und lehrreicheres Schauspiel aufzuweisen vermag als den Triumph der Mittelmäßigkeit, wenn diese auf die Intelligenz von oben herabsieht.“
(Juan Donoso Cortés, Kulturpolitik, 1852)

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„Das Land wartet auf eine alles hinwegfegende Explosion.”
(Tellkamp)

„Wie aber stirbt der Parlamentarismus, falls es ihm beschieden ist, eines gewaltsamen Todes zu sterben? Das weiß heutzutage ein jeder: Da ist ein Mann, der all das sein eigen nennt, was dem Parlamentarismus abgeht; der Mann weiß Ja und weiß Nein zu sagen; ebenso versteht er es, sich selbst treu zu bleiben; seine Zusagen und seine Absagen sind heute so wie sie gestern waren, und morgen werden sie keine anderen sein. Dieser Mann tritt auf und der Parlamentarismus ist tot.“
(Juan Donoso Cortés, Kulturpolitik, 1852)

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„Verbrennt die Bibel! Schlagt Jesus ein zweites Mal ans Kreuz!”
(Tellkamp)

„Ohne Juda, ohne Rom
würd’ gebaut Germaniens Dom!“
(Georg Ritter von Schönerer, ca. 1880)

Natürlich abzüglich Juda, denn Antisemitismus geht heute auch in solcher Literatur nicht:
Volker Weidermann hat geschrieben: Und damit der Leser diese schreckliche Versammlung aber nicht etwa für Nazis hält, wird zwischendurch erklärt, daß sie nichts gegen Juden haben, daß sie zum Gruß die Faust vorstrecken und nicht die flache Hand und daß sie, wenn auch mit nur halbgutem Gefühl, vom Deutschlandlied die dritte Strophe singen und nicht die erste.


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„Frauen denken nur mit dem Uterus.”
(Tellkamp)

„So ist denn ein ganz umfassender Nachweis geführt, daß das Weib seelenlos ist, daß es kein Ich und keine Individualität, keine Persönlichkeit und keine Freiheit, keinen Charakter und keinen Willen hat. Man mag sich an der Kraßheit des Ausdruckes stoßen, an der Sache ist nichts zu ändern.“
(Otto Weininger, Geschlecht und Charakter, 1903)

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Was allerdings die 33 Schwerstverletzten anbelangt: Wenn ich mich recht erinnere, ging es bei MASH mit denen doch immer ganz lustig, manchmal sogar regelrecht ironisch zu. Aber das war wohl die alte amerikanische Unernsthaftigkeit...
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Prof. Adorno
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Beitrag von Prof. Adorno »

Falls Sie, während Frau Bachmann mit der Geschwindigkeit einer Transversalturbine im Grabe rotiert, wissen wollen, wohin sich die deutsche Gegenwartsliteratur bes. Tellkampschen Zuschnitts weiterentwickelt, empfehle ich die Lektüre von Edwin Erich Dwingers Roman "Die letzten Reiter", Dikreiter Verlag 1952 (Verlagsmotto: Dikreiter deutet die Dinge), im Original zitiert bei Robert Neumann. Die damalige Schweinepresse sprach von "eine(r) glänzenden Ehrenrettung des deutschen Soldaten!".
"Macholke führte gerade zwei Gefangene Gefangene zurück. Pahlen trat zum ersten, faßte ihn an der Brust. Es war ein Lette, er bückte sich sofort, ihm den Ärmel zu küssen. Aber als er den Kopf neigte, knallte es peitschend auf. Pahlen nahm den nächsten an der Brust, riß ihn hart zu sich.

Plötzlich warf sich der Rote auf beiden Knien in den Schnee, umklammerte ihn jammernd mit den Armen, küßte ihm die Fußspitzen. Pahlen schob ihm wie spielend den Revolver in den Nacken, dicht über dem ersten haarigen Wirbel am Genick, wühlte ihn ein wenig in die braune Strähnen...

Und drückte ab."

"Beim nächsten Zug steht Marja schon auf der Schwelle, die Rechte umkrampft eine schwere Nagan, am Handgelenk der Linken baumelt eine Nagaika. Aber im dröhnenden Hallen des Schusses aus Willmuts Revolver entfällt ihr die Waffe, färbt sich ihr rechter Arm über dem Ellenbogen dunkelrot. Im nächsten Augenblick ist Platoff bei ihr, bohrt ihr den Lauf in den linken Oberarm, drückt nochmals ab.

Als ein paar Leute das Flintenweib hinauftragen, stoßen sie auf den kleinen Pahlen. (...) "Hört mal, ihr beiden", hält er sie an, "wollt ihr tausend Mark?" Sie lassen den Körper fallen, sehen ihn verdutzt an. "Tausend deutsche Mark?" fragt der eine. "Na, aber immerzu!" lacht der andere. "Dann müßt ihr", sagte Pahlen leise, "dies Weib totschlagen. Aber nicht etwa mit euren Kolben, mit jener kleinen Kosakenpeitsche, die ihr am Handgelenk hängt." (...) "Ein Flintenweib?" fragt der erste. "Ein richtiges Flintenweib!" nickt Pahlen abwesend. Da lacht der erste, leckt die Lippen. "Dann geht es schon in Ordnung - hätten wir's auch ohne Papier getan!" Dann bückten sie sich wieder, packen sie an den zerschmetterten Armen, schleifen sie davon." p133f

"Der letzte Körper, an dem sie vorüberreiten, ist scheinbar der einer Frau. Aber es ist eigentlich nur mehr eine blutige Masse - ein anscheinend von Peitschenhieben völlig zerschnittener Fleischklumpen, der dort im ringsum rötlich zerstampften Schneeschlamm liegt. Als Pahlen daran vorrüberreitet, nimmt er sein goldenes Etui heraus, zündet sich eine Zigarette an, atmet er den Rauch tief in die Lungen." p137

"So wissen wir noch besser", brauch Willmut leidenschaftlich aus, "warum wir hier oben stehen! Die europäische Sendung - gegen die asiatische! Und da die andern Völker Europas sie vergessen, sind wir Deutsche ihre schicksalsgewollten Vollstrecker!" p171

"- wurde allein in Deutschland von über zwei Millionen gelesen. Dwinger gilt als der deutsche Chronist. Bitte unterstützen Sie uns bei der Errichtung einer Kartei der Dwingerleser." Dikreiter Verlagswerbung

"Dwinger, Edwin erich, *Kiel 23. April 1898; Dt. Schirftsteller; Sohn eines dt. Marineoffiziers u. einer Russin; Freiwilliger im 1. Weltkrieg; geriet schwerverwundet in russ. Gefangenschaft; wurde bei einem Fluchtversuch in die Revolutionskämpfe verwickelt; erneute Gefangennahme, abermalige Flucht, 1921 Heimkehr; lebt im Allgäu. Schildert mit oft lapidarer Sachlichkeit in reportagenhaften Berichten, die auf eigenem Erleben beruhen, schonungslos Leid und Elend unsrer Zeit ..." Meyers Handbuch Literatur 1964

Da wäre doch alles zusammen, was die neue Zeit braucht: "alliierter Terror" (Flintenweiber!), gute Wehrmacht, oral history (eigenes Erleben!), Europagedanke, Schlußstrich! Bitte unterstützen Sie mich bei der Errichtung einer Kartei der Tellkampleser.


P.S. Ich bereite gerate eine großangelegte Amazon-Rezension unter dem Titel "Der Scheißvogel" vor; ich informiere Sie bei Erfolg.

P.P.S.:
2 von 5 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich:
5 von 5 Sternen Endlich auch in Deutschland, 31. März 2005
Rezensentin/Rezensent: Rezensentin/Rezensent aus Duesseldorf, NRW Deutschland
Endlich gibt auch in diesem Land wieder Hoffnung auf gute Bücher. Ein Einblick in die deutsche Seele ohne irgendwelche politsch korrekten Barrieren. Vielleicht ensteht mit Tellkamp eine literarische Stimme die nicht gleich verschwindet wenn sie in die Jahre kommt. Sein Stil ist schnell aber mit einer detailierten Art wie man sie vielleicht bei einem DeLillo oder P.Roth findet. Tellkamp versteht es Welten mit einander zu verweben die auf den ersten Blick nicht zusammengehören. Wunderbare Prosa, ein Steinbruch von Bildern. Da soll mehr kommen und es wird kommen, hoffentlich

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11 von 19 Kunden fanden die folgende Rezension hilfreich:

5 von 5 Sternen endlich, 26. März 2005
Rezensentin/Rezensent: Rezensentin/Rezensent aus frankfurt
endlich ist es vorbei mit dem nutella-gequassel der generation golf, dem logo-droping der pop-literaten. tellkamp ist ein aufregender autor, er spürt die fragen auf, die in der luft liegen, sein roman ist gefährlich, weil so urdeutsch, man hört wagner und viel ernst, dass er george kennt und mit laptop vereint (nicht schlecht), die termiten-debatte (meterlinck)- tellkamp kennt sich aus und führt stränge zusammen: fin de siècle, konservative revolution, ästhetizismus, existenzialismus, endlich ein interessanter und potenter dichter, verwandt mit andreas maier "kirillow", spannende fragen: langweilige demokratie, müde seelen, leben ohne ideale, nur fressen und kaufen und glotzen - darüber kann man endlich reden, weil tellkamp danach fragt. empfehlung für die jämmerliche politische kaste: tellkamp lesen

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Beitrag von Prof. Adorno »

Voilà. Drei Tage kritischer Prüfung in der amazon-Redaktion, drei Tage Nägelkauen, Bibber-Angst, und schon ist die nächste "absurdistische" (Hayden White) Literaturkritik unterwegs. http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 79-1772866
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IM Notar
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Beitrag von IM Notar »

Ein "Heidenreich" und Leckerbissen für alle fortgeschrittenen Studenten des schizophrenen
SS - Theologen "Wiligut Weisthor"(lese: Wiliguts Geheimlehre), dürfte das Machwerk von Ernst Betha(?!); "Urkreuzigung in Deutschland" sein.
Darin werden Antworten gelehrt und Fragen aufgeworfen, die von "interessierten Kreisen"
vergessengemacht werden sollten, wie z.B.
-War die Urzeit ganz anders?-
-Entstand das Christentum in Mitteleuropa?-
-Gab es eine Urkreuzigung in GOSLAR? -
-Ist der "Krodo-Altar" zu GOSLAR die "Bundeslade"?-
Sie finden die Antworten in der "Buchsensation des Jahrtausends" bei:
http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3 ... 47-0064524
Slipping in the bathtup is a very common household mishap.
http://www.barbneal.com/wav/ltunes/daffy/Daffy13.wav
Gast

Beitrag von Gast »

Sehr schön sind auch die Leserurteile des Rezensenten "geheimwissen".
Dem Buch "Der Deutsche Ritterorden und das Baltikum. Führer durch die Livländische Schweiz (bei Riga)." widmet er u.a. folgende Zeilen:
Die Geschichte des Baltikums ist heute nahezu unbekannt, dabei gibt es hier eine über 800 jährige deutsche ritterliche Siedlungstradition. Diese ritterliche Tradition wird heute von dem im Jahre 1996 reorganisierten DEUTSCHHERRENORDEN fortgeführt. ALLE DEUTSCHEN sind aufgefordert an dieser Ordensarbeit im Baltikum mitzuwirken oder diese Arbeit zu fördern.
Schließlich
Wenn Sie sich für RITTERLICHE ORDENSTRADITION interessieren, ins Baltikum auswandern möchten oder eine Reise planen ist dieses Buch Ihr idealer "Wegbegleiter".
Bitte mehr davon.

Trnquilizr. *Geht schon mal seine Sachen packen.*
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Beitrag von IM Notar »

Ja, erst ab in's Baltikum, Ordensritter werden und dann mit dem Deutschen Bummel(haken)kreuzzug auf in's "heilige" Goslar!
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